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Don Quixote XIX. Holzzapfen der Flüchtige

Als Don Quixote und Sancho Pansa in das Schloß einzogen, rief alles: "Willkommen der Held aller Helden, der Ruhm der fahrenden Ritterschaft!" Sechs Edelknaben warfen ihm einen großen Scharlachmantel um die Schultern; sodann führte der Haushofmeister den edlen Spanier und seinen Knappen zur Tafel. Unter tausend Höflichkeitsbezeugungen ging das fürstliche Essen von statten. Sancho Pansa wunderte sich nicht wenig über die Ehren, die seinem Herrn zuteil wurden, und trug mit seinen tapsigen Bemerkungen viel zur Belustigung bei. Don Quixote saß in voller Würde da und nahm solche Ehrung mit Fug und Recht für sich in Anspruch. - Während der Tafel und allerlei ergötzlichen Gesprächen wurde draußen im Hofe der schrille und gellende Ton einer Pfeife vernehmbar, der von dem dumpfen Gerassel einer alten knarrenden Trommel begleitet wurde. Der Ritter und Sancho Pansa stutzten über diese mißtönende Musik. Bild 105. Aufzug des hölzernen Pferdes Der Herzog gab des Rätsels Lösung, indem er sich an Don Quixote wandte: "Mein werter Ritter! Es ist der Stallmeister Trifaldin, der auf solche Weise das Unglück seiner Herrin, der Gräfin Duenna Dolorida, verkündet. Die einst in Schönheit glänzende Dame ist von dem schändlichen Giftkoch und Zauberer Malambruno in ein abscheuliches, bärtiges und borstiges Wesen verwandelt worden. Der Stallmeister hat von Euch, dem berühmten und tapferen Ritter von la Mancha gehört, hat erfahren, daß Ihr in meinem Schlosse weilt, und hofft zuversichtlich, von Euch Schutz und Beistand für seine Herrin erwarten zu können, wenn nicht gar Befreiung aus ihrem Unglück." - Don Quixote war an das hohe Saalfenster getreten und sah nun unten im Hofe einen Mann mit langem weißen Barte, der in düstere Trauerflore gehüllt war. Hinter dieser gruseligen Gestalt trugen vier wilde mit Efeu behangene Männer ein riesiges hölzernes Pferd. - "Das ist 'Holzzapfen, der Flüchtige'," erklärte jetzt der Herzog dem staunenden Ritter, "ein Zauberding, von dem großen Mystiker Merlin verfertigt. Es hat die Eigenschaft, durch die Lüfte zu ziehen, und wer es wagt, sich auf seinen Rücken zu schwingen, hat allein die Möglichkelt, den Zauberer Malambruno zu finden und zu vernichten. Erst dann würde die edle Gräfin Duenna Dolorida befreit sein und in die Schönheit ihrer zarten weißen Glieder zurückkehren können." - Bild 106. Ritt durch die Lüfte"Los, Sancho Pansa, hinunter und auf das Pferd!" brüllte Don Quixote mit einer Donnerstimme und zog seinen Knappen die Treppe hinunter bis auf den Hof. - "Augenblick! Ritter Don Quixote! Merlin verlangt, daß dem Befreier die Augen verbunden werden!" rief der Herzog und sprang ihnen nach. Die beiden Helden ließen es geschehen und saßen bald auf dem Rücken des hölzernen Pferdes. Don Quixote tastete nach dem Zapfen, durch den das Zaubertier lenkbar war, und nun ging es mit einem Sausen durch die Luft. - "Ich sitze schlecht!" brummte Sancho Pansa, "mein alter Esel ist mir lieber!" - "Halt's Maul, voller Wanst; es gilt eine edle Fürstin zu befreien!" Don Quixote schwang sein Schwert, als kämpfe er gegen einen unsichtbaren Feind. - Ein Diener hatte auf Befehl des Herzogs den Schwanz von "Holzzapfen, dem Flüchtigen", der sich natürlich noch keinen Zoll vom Hofpflaster erhoben hatte, angesteckt. Eine ganze Masse Feuerwerkskörper, die sich in dem hohlen Bauche des Tieres befanden, entzündeten sich. Mit furchtbarem Krachen und unter dem Freudengeschrei der ganzen Hofgesellschaft, explodierte der Zaubergaul. Don Quixote und Sancho Pansa, von Pulverdampf und Ruß geschwärzt wie zwei Kaminfeger, flogen in hohem Bogen durch die Luft.


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