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Don Quixote IX. Der Goldhelm des Ritters Mambrin

Der Tag war bereits hell emporgestiegen, als Don Quixote und Sancho Pansa in einem Hohlwege dahinreitend ein geräumiges Waldtal erreichten. Sie stiegen von ihren Tieren und verschmausten die Leckerbissen, die sie den Geistern und Gespenstern abgenommen hatten. Da plötzlich drang an ihre Ohren aus dem nahen Walde ein gewaltiges Brausen, Rauschen und Klappen, untermischt mit dumpfem Eisen- und Kettengeklirr. Der arme Schildknappe, der nun einmal von Natur aus das Herz eines Hasen hatte, zitterte wie Espenlaub. Don Quixote aber blieb unerschüttert, schwang sich auf Rosinante, legte die Lanze ein, faßte den Schild fester und sprach: "Sancho Pansa, der Himmel hat mich zu großen Taten ausersehen, wie schon wieder das bevorstehende schreckliche Abenteuer..." Lärm von der WalkmühleWeiter kam er nicht - sein Auge hatte einen Mann zu Pferde entdeckt, der aus der entgegengesetzten Seite des Waldes dahertrabte, und auf dessen Kopf ein glänzendes Ding schimmerte. - "Sancho, sieh dort diesen Mann, der auf seinem Haupte den Helm eines hochberühmten Helden, des Ritters Mambrin, trägt; er will mir mein vom Schicksal zudiktiertes Abenteuer streitig machen! Jedoch ich werde ihm zuvorkommen!" - "Ihr dürftet Euch irren, gestrenger Herr", antwortete der Knappe. - "Wie kann ich mich irren bei hellem Tageslicht, Du törichter Zweifler!" rief Don Quixote erregt. "Siehst Du nicht den Ritter mit dem goldglänzenden Helm?" - "Ich sehe ein glänzendes Ding; aber ein Helm ist das nicht." - "Es ist der Helm Mambrins, Du Kröte!" schrie Don Quixote. - "Und doch ist es kein Helm!" sagte Sancho trotzig. - "Giftzunge, schweig!" rief Don Quixote voller Wut und stürzte mit blankem Schwerte auf den Reiter los und schlug ihm den berühmten Helm des Mambrin vom Kopfe. Der Barbier- denn ein solcher war es -, der seir). messingenes Seifenbecken auf dem Kopfe getragen hatte, um seinen Beruf im nächsten Dorfe auszuüben, rannte vor Schrecken und Angst vor der grausigen Gestalt des Ritters davon. Bild 91. Mambrins Goldhelm Sancho, der gefolgt war, nahm das Barbierbecken vom Boden auf. - " Wahrhaftig, es ist ein vortrefflich' Ding und unter Brüdern seine acht Realen wert!" Mit diesen Worten reichte er das Becken Don Quixote hin, der es alsbald auf seinen Kopf setzte und rundum drehte. - "Der Helm des Helden Mambrin hat kein Visier!" stellte der enttäuschte Ritter fest, der sich jetzt, ohne zu säumen, anschickte, dem furchtbaren und geheimnisvollen Waldabenteuer zu Leibe zu rücken. Mit lautem Gejohle, das Barbierbecken auf dem Kopfe, galoppierte er in den Wald, dem furchtbaren Getöse entgegen. Sancho Pansa lugte vorsichtig durch die Beine der Rosinante, die leicht dahinflog, als ob ihr Flügel gewachsen wären. Plötzlich hielt Don Quixote sein Roß an; denn siehe da, die ganze Ursache des schrecklichen Geräusches, das durch den ganzen Wald ertönte, rührte von einer - Walkmühle her, die, von des Wassers Kraft getrieben, unaufhörlich mit ihren Schlägen Grund und Boden erschütterte. Don Quixote verstummte und wurde vor Ärger leichenblaß. Sancho Pansa aber brach in ein so lautes und herzliches Gelächter aus, daß er sich nicht mehr auf den Beinen zu halten vermochte, sondern wie ein Mehlsack zu Boden plumpste und sich krampfhaft umherwälzte. Dieser Anblick erheiterte auch Don Quixotes enttäuschtes und mißmutiges Herz; er stimmte endlich in das Gelächter mit ein. - "Don Quixote von la Mancha, der fahrende Held, hat sich in diesem Falle einmal geirrt!" gab der stolze Ritter mit Pathos zu und schlug mit der Faust an die geharnischte Brust. "Die hochherzige und holde Dulcinea von Toboso, die edle Gebieterin meines heldenhaften Herzens, möge mir verzeihen!"


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